Dr. phil. Wolfgang Baumann
ANTIQUITÄTEN UND KUNSTHANDLUNG
gegr. 1909


 

Leo von Klenze (Entwurf)
und Münchner Hofwerkstätten (Ausführung) zugeschrieben,
Ein Paar Fauteuil mit "Tannenzapfen",
wohl München um 1842

Buche, original matt und glanzvergoldet, Messing-Armlehnenteile original feuervergoldet, Rückenpolster mit originaler Bourle, Reste von dunkelblauen Wollfäden an der Bourle-Oberkante des Rückens lassen auf einen blauen Bezug schließen. Höhe 95 cm; Breite 65 cm, Tiefe 65 cm

Restaurierung: verletzte Goldpartien vorallem an den Beinen gefestigt und retuschiert; Patina bewahrt Rückenpolsterung und Polsterung der Armlehnen original erhalten und bewahrt. dunkelblaues Rindsleder mit Lederborte mit Goldprägung neu.

An den Fauteuil meublants - Rückseite ohne Ornamente - fallen die ungewöhnlichen Tannenzapfen an den Ecken der oberen Zarge der Rückenlehne auf. Diese Ornamentform taucht im Werk des Münchner Hofarchitekten Leo von Klenze noch in der Walhalla auf, nämlich an der Unterseite der Binder der Dachkonstruktion. Klenze beschreibt sie eindeutig als "Tannenzapfen". Auch der Walhallaführer von 1854 nennt die Tannenzapfen und den Grund ihrer Verwendung in der Walhalla:
"Noch ist zu bemerken, dass der Baumeister als Ornamente der verschiedenen architektonischen Theile des Tempels sehr sinnig deutsche Gewächse benützt hat, namentlich das Eichenlaub und die Eichel, den Tannenzapfen, Segitterienblätter (Getreide ?) u. dgl."

Die wunderschönen Spuren an der abgegriffenen, seltenen Originalvergoldung dokumentieren den Gebrauch der beiden hochrangigen Sitzmöbel vielleicht in der Walhalla als Sitzgelegenheiten zum Einschreiben in "Walhallas Einschreibebuch". Die hohen Herrschaften taten dies sicher nicht im Stehen.
1814 im Preisausschreiben für das Walhallaprojekt ist von zwei Nebenräumen die Rede zur Aufbewahrung von Stühlen und Bücherschränken (TRAEGER, S. 213). Klenze begründete das große Fenster im Opisthodom mit "hinreichendem Licht, um lesen und schreiben zu können" (TRAEGER, S. 213).

Auf Wunsch des Erbauers der Walhalla, König Ludwig I., durfte jeder Besucher sich in "Walhallas Einschreibebuch", das auf einem weißen Marmortisch im Opisthodom - beleuchtet vom großen Nordfenster - lag, eintragen und somit auch seinen Namen in Walhalla verewigen. Das mit rotem Leder gebundene und mit Goldprägung gezierte Buch war 1851 vollgeschrieben. Es folgte ein in Grün einfacher gebundenes Einschreibebuch. (Otto HIETSCH, Mit dem Auge des Viktorianers, Englische Reiseskizzen um Walhalla, Donaustrom und Fürstenhaus, in Regensburger Almanach 1987, Regensburg 1986, S. 238). In das Besucherbuch schrieb die Kaiserin von Österreich, Sisi, zum letzten Mal am 22. März 1898 ihren Namen. Bundespräsident Theodor Heuss trug sich am 6.7.1959 noch in ein Einschreibebuch ein (TRAEGER, Abb.179a und b, S.213f.).

Der Grundriss der Walhalla aus dem Führer "Donaustauf und Walhalla", 8. Auflage, Regensburg 1854, verfasst von Adalbert MÜLLER, zeigt im Opisthodom den rechteckigen Grundriss des Marmortisches, der zum Eintragen in das Einschreibebuch diente. Es war der einzige Tisch in der Walhalla und ist ein Werk des für den Münchner Hof oft tätigen Bildhauers Johann Ernst Mayer (1796 Ludwigsburg, freundlicher Hinweis von Dr. Ernst Theodor Mayer zum korrekten Geburtsjahr, das in der Literatur falsch genannt wird-1844 München). Die zwölf - früher sechs ? - Marmorstühle mit Marmorkissen stehen hier für die Ewigkeit:
"Die prachtvolle Ausstattung des Saales vervollständigen sechs Stühle von Marmor und acht Kandelaber von demselben Material" (MÜLLER, S. 27).
Der Grundriss zeigt, dass wohl zusätzlich noch Bänke (?) aufgestellt waren. Die heutige Möblierung ist offensichtlich nicht mit der von 1854 identisch.

Der Tisch steht genau in der Zentralachse vor dem großen Nordfenster. Wie die Situation im Aufriss war, ist anscheinend nirgends dokumentiert.
Heute ist der Marmortisch für die Öffentlichkeit unzugänglich darüber in das Obergeschoss verräumt. Niemand darf mehr seinen Namen in Walhalla einschreiben und sich in die Reihe der "Walhalla-Genossen" gleichsam einreihen.

Wann der Einschreibetisch versetzt worden ist, wurde bisher nicht untersucht. 1890 erfolgte die Aufstellung des Sitzbildnisses von König Ludwig I. vor den Säulen zum Opisthodom. Der Marmortisch stand aber wohl weiterhin an seinem Ursprungsplatz, auch wenn die Sicht auf den "Altartisch" nun verstellt war.

Walhalla, Empore im Opisthodom, Einschreibetisch mit dem Einschreibebuch, Foto in Jörg TRAEGER, Der Weg nach Walhalla, Denkmallandschaft und Bildungsreise im 19. Jahrhundert, Regensburg 1987, S. 15.

Die 12 Marmorsitzmöbel in der Walhalla, entworfen von Leo von Klenze 1840/41
Die Münchner Dissertation von Veronika Schaefer hat unter Leitung von Prof. Hermann Bauer erstmals Leo von Klenze als Entwerfer von Möbeln erforscht. Sie untersucht Möbelentwürfe Klenzes von 1816 bis 1852 und beschreibt eine Eigenart Klenzes: “Eine Stilentwicklung hat es nicht gegeben.” Sie kommt zu dem Ergebnis: “… eine einmal für gut befundene Grund- oder Einzelform behielt für Klenze lange ihre Gültigkeit.” Lit.: Veronika SCHAEFER, Leo von Klenze, Möbel und Innenräume. Ein Beitrag zur höfischen Wohnkultur im Spätempire (= Miscellanea Bavarica Monacensia, Dissertationen zur Bayerischen Landes-und Münchner Stadtgeschichte, hg. Von Karl Bosl und Michael Schattenhofer, Heft 89), München 1980, S. 109)
Zu vier Marmorsesseln der Walhalla fand Schaefer den Entwurf Klenzes, den Anselm Sickinger und Johannes Leeb ausgeführt haben (s.o., Kat.Nr. 15). Zu weiteren acht Marmorstühlen der Walhalla, ausgeführt von denselben Bildhauern, hat sich der Entwurf Klenzes nicht erhalten. (s.o., Kat.Nr. 36)

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