Dr. phil. Wolfgang Baumann M.A.


KUNSTHISTORISCHES AUS REGENSBURG

Schau mir in die Augen -
eine schöne Geschichte zu einer Regensburger Silberschale um 1700

 

Am Anfang stand eine ovale Regensburger Silberschale mit zwei Henkeln - 12,8 cm lang, 13,3 cm breit, 3,2 cm hoch - und die Frage nach ihrer Funktion. "Weinprobierschalen" wird dieser Typ von Goldschmiedearbeiten landläufig genannt. Sie tauchen im Zeitraum 1650 bis 1750 auf und werden später kaum mehr hergestellt. Warum hört die Nachfrage nach solchen Schalen um 1750 auf ?

Unsere Schale fertigte der Regensburger Goldschmiedemeister Johann Michel Schöffer. Er war 1697 Erbbürger der Stadt geworden. Bereits 1704 ist er verstorben. Die innen vergoldete Silberschale ist demnach um 1700 zu datieren. Dazu passen auch die Ornamentformen, fülliges Akanthuslaub, wie es um 1700 modern war.

Die Schale trägt noch eine zweite Information, eine Besitzerinschrift "Barbara Ziglerin". Die Schale gehörte einer Frau, wohl einer Regensburgerin, vielleicht ein Mitglied der vermögenden Regensburger Schiffmeistersfamilie Ziegler.

Eine Serie von Augsburger Kupferstichen von Martin Engelbrecht um 1730 zeigt die Getränke, die das menschliche Leben chronologisch von der Geburt bis zum Sterben begleiten, von der Muttermilch bis zur Arznei. Bei einem Blatt ist deutlich eine vergoldete Doppelhenkelschale aus Metall in Funktion zu sehen.

Ein Herr legt seine linke Hand um den Rücken einer sitzenden Frau und schaut ihr tief in die Augen. Beide sind sie prächtig gewandet. Die Dame hat auffallender Weise drei rote Blümchen ins tiefe Dekollete gesteckt. Eine goldene Doppelhenkelschale verbindet beide in ihrer trauten Zweisamkeit. An einem Henkel hält der Herr die Schale, am anderen nimmt die Dame das Getränk, den Met, entgegen. Die Dame scheint dem Begehren des Kavaliers wohlgesonnen zu sein und erwidert bei dem Schalenaustausch den tiefen Blick des Herrn.

Darüber steht als Motto: "Der Trunk süß, die Liebe noch süßer". Darunter: "Meth". Als Unterschrift ist zu lesen:

"Versuche süßes Kind, was diese Schal dir reicht,
umb so viel billiger, weiß deinem Wesen gleicht,
Die Bienen haben es, die Venus dich gebohren.
Das hieß der Nectar einst der erbahr-alten Zeit.
Sei gleichfalls eine Bien, die meine Seel erkohren,
doch leg den Stachel ab von deiner Grausamkeit."

So diente wohl auch die Silberschale der Barbara Ziegler als Trinkgefäß für Met, der als die Liebe förderndes Getränk verstanden worden ist. Ob solche Schalen die bürgerlichen Herren auf Freiersfüßen ihrer venusgleichen Herzensdame verehrt haben; in der Tradition der Minnegabe ?

Met - "ein sehr verführerisches Getränk, weil er sehr angenehm schmecket"

Met ist in Regensburg im 14. Jahrhundert als Getränk für Frauen belegt. Stephan Thundorfer (+1381) verfügte in einer Stiftung, dass der Kaplan seiner Hauskapelle St. Barbara verpflichtet sei, den Damen von Ober- und Niedermünster sowie von St. Paul-Mittelmünster am Montag vor Christi Himmelfahrt Wein und Met zu kredenzen.

Mitte des 18. Jahrhunderts sind für Regensburg fünf Hersteller von Met überliefert:
"Unter die Nahrungsmittel der Stadt Regenspurg gehöret die Verfertigung des Meths, welchen fünf Häuser mit Ausschließung der andern zu brauen berechtigt sind. ... Als Ingredienzien des Honig-Wassergemischs werden Gewürznelken, Muscatnüsse, Zimmet, Rosen und Salbey genannt. ...das Maaß zwölf Kreuzer" (Neueste Reisen, 1751, S. 1429)

Bei Krünitz in der Oekonomischen Encyklopädie, deren 242 Bände von 1773 bis 1858 erschienen sind, wird der Meth als Modegetränk bis 1750 beschrieben; werde nun aber von Frauen "als verführerisches Getränk" wieder geschätzt:
"Der Meth ist vor etwa fünfzig Jahren in den Häusern des Mittelmannes in Niederdeutschland sehr Mode gewesen. Er ward hierauf von ausländischen Weinen beynahe ganz verdrängt, und nur noch hier und da als ein Getränk zur Veränderung gefunden, meistens aber aus Pohlen oder Preußen verschrieben, und nicht vom einheimischen Honige gemacht. Seit einigen Jahren ist man patriotischer geworden. Man betreibt den Honigbau mehr und besser als sonst. Und mit dem mehr erzielten vaterländischen Honige suchet man altmodisches Getränk wieder hervor. Man fängt an, ihn aus dem guten Grunde zu lieben, weil es ein <90, 3> einheimisches Product ist, woraus man ihn bereitet. Und eben so viele achten den Meth, weil er ein so nährender und gesunder Trank ist, da man den Honig als ein der Fäulniß des Blutes widerstehendes Mittel immer besser kennen lernet. Schon findet man Frauen, welche den Kaffee bey Seite setzen, und des Morgens einen kleinen Trunk zum Frühstück davon nehmen. Und diejenigen werden sich auch immer am besten dabey befinden, welche den Meth nicht in großen Zügen zu sich nehmen, weil er das Geblüt sodann gar sehr in Bewegung bringen, und den Körper, nach seiner besondern Constitution, doch auch sehr, wie alle hitzige Getränke, beschädigen kann. Es ist der gut bereitete Meth überhaupt ein sehr verführerisches Getränk, weil er sehr angenehm schmecket, wenn er seyn gehöriges Alter hat. So sehr man sich nun zu hüten hat, ein Wein= oder Branntweinsäufer zu werden, eben so sehr muß man sich auch hüten, ein Methsäufer zu werden."

Die Erzeugnisse der Bienen, Honig und Wachs, wurden von den Lebzeltern hergestellt und verkauft. In Regensburg gab es in der Blütezeit des Metes eigene Methersteller. Auf dem grün gedecktem Tisch fehlen auch die Lebkuchen in Rechteckform, runder Plätzchenform und Stangenform nicht. Rechts unten auf der Brüstung steht nochmals eine große Schale mit dem süßen Gebäck. Die mit Honig gesüßten Lebkuchen sind hier auch als Liebesgaben zu deuten. Gemodelte Formen kann man in dem vereinfachenden Kupferstich leider nicht erkennen, wohl aber die in den Ecken und im Zentrum aufgebackenen Mandelhälften. Bei einer weiteren Metschale sind ein geschlossener Fächer und ein Paar Handschuhe zu sehen - so darf man wohl die textilen faltenreichen Schläuche als Handstulpen ohne Fingerlinge interpretieren. Letztere sind ein Symbol der Treue wie sie deshalb auch auf gemodeltem Gebäck vorkommen, wie Grohmann in ihrem neuen Standardwerk zum Modelgebäck berichtet (S. 10, Lit. siehe unten).

Lit.: Almute Grohmann, Backen mit Modeln, Kultgebäck wiederentdeckt, Rezepte, Modelbasteln, Selbstverlag, Berlin 2011

 

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