Dr. phil. Wolfgang Baumann
ANTIQUITÄTEN UND KUNSTHANDLUNG
gegr. 1909


„Zwei Auguren konnten einander nie ansehen, ohne dabei zu lachen“ 

Rudolf Maison
(Steinweg/Regensburg 1854-1904 München),
Augur,
Manufaktur Goldscheider Wien 1900/02

Terrakotta, gefaßt. rückseitig Stempel der Terrakottamanufaktur "Goldscheider Wien" mit eingestempelter Nummer auf drei Zeilen "2147 / 24 / 19", aufgemalte Nummer in Weiß "XXI" (Malernummer ?), eingestempelt "REPRODUCTION RESERVEE", Marke Töpfernde Frau, an der linken Schulter Signatur "Maison"
Höhe 38, Breite 41 cm; Preis auf Anfrage

Die Büste des römischen Wahrsagers ist mit "Augur" betitelt. Verschmitzt lächelt der Priester in sich hinein. Die Büste wurde nach einem Modell des Regensburger Künstlers Rudolf Maison von der bekannten Wiener Manufaktur Goldscheider noch zu Lebzeiten des Künstlers um 1900/02 ausgeformt. Die Wiener Firma handelte international mit Terrakotta-Kunstwerken und besaß auch in Paris eine Niederlassung.

Das Historische Museum der Stadt Regensburg (Depot) besitzt das Modell einer ganzfigurigen Augurenstatuette aus dem Werkstattnachlaß des in Steinweg geborenen Künstlers. Diese Statue hat ebenfalls die Wiener Firma Goldscheider in Terrakotta ausgeformt. Bei der hier vorliegenden größeren Büste handelt es sich um denselben Figurentyp, den Maison auf Büstenformat reduziert hat und mit dem Titel "Augur" bezeichnet hat.

Die Keramikbüste ist vorzüglich erhalten. Vorbildlich für die weißliche Fassung war wohl die Glasur der berühmten Fayence-Plastiken der Florentiner Künstlerfamilie della Robbia (Luca della Robbia 1399/1400-1482). Die Büste dürfte wie die Ganzfigur um 1890 entworfen worden sein. Die präzise Datierung ergibt sich aus der Verwendung der Marke „Töpfernde Frau“, die 1900 als Warenzeichen eingetragen worden ist. Die eingestempelten Nummern der Firma Friedrich Goldscheider (Firma 1885-1944) grenzen die Datierung auf 1900 bis 1902 ein.

Jean León Gérome schuf ein 1861 im Salon ausgestelltes Genrebild mit dem Thema „Zwei Auguren konnten einander nie ansehen, ohne dabei zu lachen“. Zwei Auguren blicken sich lachend an. Die rechte Figur ähnelt sehr dem Ganzfigurentyp von Maison, der das anekdotische Historienbild von Gérome wohl gekannt hat.

Rudolf Maison wurde 1854 als Sohn eines Schreiners in Steinweg im Haus Schwandorferstr. 35 geboren. Seit 1868 studierte er am Polytechnikum in München Architektur und belegte Zeichnen und Modellieren. Letzteres war sein Metier. Er entwarf für Fabriken Modelle. Berühmt wurde Maison durch einen großen Auftrag für Schloß Herrenchiemsee. Für König Ludwig II. von Bayern schuf er den gigantischen Pegasusbrunnen. 1891 erhielt er den Professorentitel verliehen. Im Münchener Stadtteil Gern ließ Maison 1897 das heute noch erhaltene Wohngebäude mit Werkstatt Tizianstr. 16 errichten. "Ab und an konnte man am Straßenrand vor den Toren seiner Werkstatt Pferde grasen sehen, die er sich für seine Studien am lebenden Objekt in sein Atelier geholt hatte." Für den Berliner Reichstagsbau schuf Maison zwei Herolde zu Pferd. Während einer Magenoperation verstarb der Künstler 1904 in München. Die Witwe Emma Maison vermachte der Heimatstadt ihres Mannes 1913 die Modellsammlung des Künstlers, die damals im Napoleonsaal im Gebäude der Neuen Waag am Haidplatz und im Alten Rathaus ausgestellt worden ist.

Der gebürtige "Regensburger" Rudolf Maison zählt zu den bedeutenden Bildhauern des Späthistorismus in Deutschland.

Lit.: DIE OBERPFALZ, Monatsschrift für Geschichte, Volks- und Heimatkunde, hg. von J.B. Lassleben, 7. Jg., Heft 3, 1913, S. 60f.; Christine KOLLER, Rudolf Maison (1854-1904) - ein Bildhauer aus Steinweg: Naturalistischer Individualist. Ein Künstler des späten 19. Jahrhunderts / Viele Werke auch in Regensburg, in: Mittelbayerische Zeitung, 4. September 1992; Erika DICHTL, Der Gerner Bildhauer Rudolf Maison verstarb vor 100 Jahren, in: Neuhauser Werkstatt-Nachrichten. Historische Zeitschrift für Neuhausen, Nymphenburg und Gern, Heft 13, 2004, S. 56. Robert DECHANT, Filipp GOLDSCHEIDER, Goldscheider, Firmengeschichte und Werkverzeichnis, Historismus, Jugendstil, Art Déco, 1950er Jahre, Stuttgart 2007, S. 54 mit Abb., S. 347 mit Abb. des Wiener Exemplars und Nennung unseres Augurs. Hubert H. WARTNER, Rudolf Maison (1854-1904), ein vergessener Bildhauer aus Regensburg-Steinweg, in: DIE OBERPFALZ, Heft 5, 2013, Sonderdruck, S. 1-13


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