Dr. phil. Wolfgang Baumann
ANTIQUITÄTEN UND KUNSTHANDLUNG
gegr. 1909


KUNSTHISTORISCHES AUS REGENSBURG

Regensburger Möbel – Zur Forschungslage

Kaum Beweise für den Herstellungsort bei deutschen Möbeln

Deutsche Möbel tragen keine Schlagstempel wie dies für die Pariser Ebenisten vorgeschrieben war. Für Möbel fehlt daher ein sicherer Beweis für den Herstellungsort. Ähnlich wie beim alten Schmuck ist die Provenienz, alter Familienbesitz, von großer Bedeutung.

Die mündliche Tradition zur Herkunft von Kunstgegenständen, die sich schon oft in der zweiten Generation verliert – wie zum Beispiel Nora Watteck bedauernd zum Salzburger Schmuck schreibt –, geht durch Verkäufe, vor allem durch Auktionen, total verlustig. Wichtig sind deshalb Möbel aus Nachlässen alter Regensburger Familien. Die letzten Besitzer der " Habseligkeiten" zu befragen, ist eine wichtige Quelle. Diese „Biographie“ eines Kunstwerkes zu dokumentieren und weiterzugeben, ist die vornehmste Aufgabe eines Kunsthändlers.

Ein von einem Regensburger Schreinermeister signiertes furniertes Möbel des 18. Jahrhunderts wurde bisher nicht entdeckt. Es bleibt somit nur die stilistische Eingrenzung. Allein die furnierten und intarsierten Zimmertüren im Rosenwirtsgarten, dem Gartenhaus der Regensburger Bankiersfamilie Löschenkohl, wurden bisher einem Schreiner zugeschrieben. Pfeiffer vermutete als Verfertiger der doppelflügeligen Türen den Sohn des Hausherren, der eine Schreinerlehre absolvierte.

Die Situation in Regensburg wird erschwert, da territorial zwischen der protestantischen Reichsstadt und dem katholischen kurbayerischem Statt am Hoff (Stadtamhof) unterschieden werden muß. In Regensburg war die Berufsbezeichnung Schreiner in Stadtamhof "Kistler" gebräuchlich.

Überlieferte Namen von frühen Regensburger Schreinern und einer Sägemühle vor 1700

1467 April 30 Schreyner / Georg Koburger und Wolfgang Moser Bürgerrecht geschworen
1551 Wolf Wasserkreuter, Altes Rathaus, Vertäfelung, Doktorstube
1580 Sägemühle in Regensburg kann Furniere schneiden

Überlieferte Namen von Regensburger Schreinermeistern und Werkstätten 1709-1806 (nach Pfeiffer)

1709 Hans Christoph Grubmüller, 1709 Meister, tätig bis mindestens 1742
1709 Carl Neumann, 1709 Meister , beschäftigte 1737 zwei Gesellen , häufig Vorsteher, noch 1753 genannt
1716 Georg Michael Höger (Heger), drei Gesellen
1718 Jobst Lorenz Beyer aus Vohenstrauß, 1718 Meister , vier Gesellen, tätig bis nach 1753, häufig Vorsteher
1724/26 Johann Wolfgang Lincken war Schreiner und Bildhauer und führte 1724-26 den Hochaltar der evangelischen Kirche St. Oswald mit geschnitzten Ornamenten aus Akanthus mit kurzen Bandwerkanteilen sowie zwei Engelsfiguren (?) aus.
1725 J. G. Brodtmann aus evangelischen Ländern „Mittel- und Norddeutschlands“ (Pfeiffer)
1726 G. Bethodnigk, aus evangelischen Ländern „Mittel- und Norddeutschlands“ (Pfeiffer), 1726 Meister, beschäftigte 1737 zwei Gesellen
1730 ein Löschenkohlsohn erlernt das Schreinerhandwerk bei Carl Neumann
1730/32, noch 1753 genannt Johann Ernst Jenecke mit zwei Gesellen
1730/32 Johann Georg Kohler aus dem evangelischen Ortenburg mit zwei Gesellen, 1737 Geschworener, bayerische Kastenform? (Pfeiffer), Meisterwerkstatt der durchfunierten Schränke, ausgeschnittene Sockelzone erinnert an Linzer Barockmöbel
1730/32 Gottfried Ziegler mit einem Gesellen, 1737 Geschworener
1738 Leonhard Schüler aus Sulzbürg, Meister
1753 Johann Julius Böhm
1750 der katholische (?) Regensburger Schreiner Joseph Schuldner heiratet Maria Eva Rohde, die Tochter des kurfürstlich Mainzischen Hofschreiners Ludwig Rohde (1683-1755) in Mainz
1753 Johann Michael Höger
1768/69 Der Regensburger Schreinermeister Georg Christoph Garri fertigte 1769 das Antipendium für den Hochaltar von St. Johann in Regensburg, 1768/69 die Sakristei- und Kirchentüren, das neue Chorgestühl in Eiche (erhalten) und einen Beichtstuhl. Bildhauerarbeiten von Johann Valentin Dirr, Stadtamhof, und Johann Ignaz Andres, Obermünster.
1806 Anweisungen zum Meisterstück mit Möbelzeichnung gehen an Ludwig Simmerl (falsch gelesen ?), Franz Soboth,, Friedrich Ruf, Michael Haubner und Gottlieb Ruf.
1806 VIII Michael Haubner, Ludwig Kümmel und Ruff jun. (Friedrich oder Gottlieb) wurde das Meisterrecht verliehen.

"Kistler" in Stadtamhof

Johannes Frisch, Schreiner und Altarbauer, seit ca 1665 in Stadtamhof
Der Tischlermeister und Altarbauer Johannes Frisch, dessen Großvater auch bereits Tischlermeister in Linz war verließ um 1665 mit der ganzen Familie seine Heimatstadt und zog nach Stadtamhof. Sein Sohn Johann Christian Frisch wurde Schreinermeister in Basel. Ein weiterer Sohn war vermutlich der in Bogen tätige Bildhauer Johann Gottfried Frisch.

Jakob Schöpf, Schreiner und Verleger für Retabelaltäre, war bis vor 1712 in Stadtamhof, dann Umzug nach Straubing
1665 Jakob Schöpf geb. in Haiming
nach 1685 Erwerb einer Schreinergerechtigkeit in Stadtamhof
1702 in Stadtamhof Geburt des Sohnes und Malers Johann Adam Schöpf
1702-1703 Niederaltaich, als Schreiner und Generalunternehmer für den Hochaltar und das Chorgestühl archivalisch gesichert, Bildhauer unbekannt.
um 1705 Niederachdorf, ehemaliger Hochaltar , Generalunternehmer Schöpf
1710 Prüfening, Magdalenenaltar, von Staudigl Schöpf zugeschrieben
vor 1712 Umzug nach Straubing
1712-15 Benediktinerabtei Metten, Hochaltar unter Abt Roman II. Märkl (1706-1729), Der Straubinger Schreiner Jakob Schöpf erhielt 1712 den Auftrag zum Hochaltar, mit Altarbild von Cosmas Damian Asam (1715)
1713, 30. Mai Bildhauergeselle Sigismund Hofer heiratet in St. Jacob Straubing die Kumpfmühler Bräuerstochter Maria Magdalena Schödl (1693- ) Testes: Franciscus Puechmettner et Jacobus Schöpf, "ambo cives et Scriniarii"
1715 gestorben in Straubing

Schreinerfamilie Mayr (Mair)
1728 fertigte der Schreinermeister Johann Caspar Mayr das Gehäuse zur Orgel des Stadtamhofer Orgelbauers Johann Konrad Brandenstein in Weltenburg.
1792/93 Der Stadtamhofer Schreinermeister Kaspar Mayr fertigt die Haustüre Viereimergasse 2 in Regensburg
1793-97 Geisling, Pfarrkirche unserer lieben Frau, klassizistische Umgestaltung des Hochaltares durch den Bildhauer Hundertpfund und den Schreiner Kaspar Mayr von Stadtamhof.
1806 Kaspar Meyer wird im Mai 1806 als unparteiischer Beschaumeister für Regensburger Meisterstücke herangezogen.
1809, 23. April "der Tischler Kaspar Meyer mit seinen 7 Tischlergesellen rettete an der nämlichen Seite (östlichen, der Verfasser) das schon brennende Haus des Kaufmannes Sauer in Stadtamhof"(Wittmann)
1818 Kasper, Aufstellung des Hochaltares in Mintraching

Schreinerfamilie Vater und Sohn Heinrich
Kistler Carl Heinrich in Stadtamhof in dem Mangergassel, Zusammenarbeit mit Simon Sorg
1765/69 ? Paring, Benediktiner-Propsteikirche, Chronogram 1765 Fertigstellung der Stuckierung, Schreinerarbeiten für den Rokoko-Hochaltar NEUZUSCHREIBUNG WB
1767 Dechbetten, Wallfahrtskirche von St. Emmeram, Schreinerarbeiten des 1767 fertiggestellten Hochaltares, Kistlerarbeit (200 fl.) unter Simon Sorg (Bildhauerarbeiten 150 fl. bezahlt).
1769-75 Alte Kapelle, Hochaltar , Plastiken Sorg 1550 fl. , Kistlerarbeit von Carl Heinrich (1030 fl.), Fassung von Georg Caspar Zellner (3.500 fl.)
1779 Tod
Sein Sohn Conrad Heinrich führt die Werkstatt fort.
1782/83 Schreinerarbeiten für den Jakobus und Heinrich Seitenaltar in der Alten Kapelle unter Sorg. Die Werkstatt im Mangergassel und die Schreiner-Gerechtigkeit wurde wohl von Schweigger übernommen

Schreinerfamilie Kohlhaupt
Joseph Kohlhaupt (Kollhaubt), Kistler in Stadtamhof, fürstlich thurn- und taxisscher Schreiner, ab 1779 Zusammenarbeit mit Simon Sorg
1781 Schreinerarbeiten am Altar in Zaitzkofen mit Simon Sorg zusammen
1790 Oratorium der Fürstin Therese in der evangelischen Dreieinigkeitskirche im Zopfstil über einer Rokokostruktur.
1791 Alte Kapelle, Orgelgehäuse

Der Schreiner und Kistler Johann Kohlhaupt führte
1877/78 nach einem Entwurf von Paul Weiß, Landshut, einen neuen Historismus-Hochaltar für St. Johann im strengen Renaissance-Styl aus.

E. Müller, Schreiner in Stadtamhof
1787 Geisling, Pfarrkirche unserer lieben Frau, Seitenaltäre mit Putten im Auszug von Johann Millbauer in Zusammenarbeit mit dem Stadtamhofer Schreiner E. Müller.

Ausgangspunkt: Gehäuse für Werke Regensburger Uhrmacher

Ausgangspunkt für eine Vorstellung vom Stil Regensburger furnierter Möbel im 18. Jahrhundert bilden in der Forschung die mit Regensburger Wappen versehenen Barockschränke und die Bodenstanduhren mit signierten Werken Regensburger Großuhrmachermeister. Man muß davon ausgehen, daß die Regensburger Großuhrmacher die Uhrgehäuse von einem Regensburger Schreinermeister fertigen ließen. Nach den Forschungen von Walther Boll und Wolfgang Pfeiffer sind neben den Gehäusen der Bodenstanduhren zwei Schranktypen als Regensburger Möbel zu bezeichnen: Die konservativen Fassadenschränke waren wohl zum größten Teil Meisterstücke. Die glatt durchfurnierten Barockschränke ohne Füllungsgliederung mit schrägen Ecklisenen sind wohl die Erzeugnisse einer bedeutenden Regensburger/Stadtamhofer Schreinerwerkstatt.

Konservative Fassadenschränke mit Pilastern – die Meisterstücke in Regensburg ?

Das intarsierte Regensburger Stadtwappen zeigte ein – nur photographisch dokumentierter –Schrank aus der alten Regensburger Kunstsammlung Rümmelein, die bis zur Versteigerung 1872 in zwei Räumen im 2. OG des Neuen Hauses (heute Stadttheater) untergebracht und wohl öffentlich zugänglich war. Der Schrank war offensichtlich vor 1810 Eigentum des Stadtmagistrats und stand wohl im Alten Rathaus. Das Stadtwappen war wegweisend zur Lokalisierung ähnlich architektonisch gestalteter Fassadenschränke nach Regensburg. Aufbauend auf diesen Vorarbeiten Bolls publizierte Pfeiffer 5 Exemplare dieses Schranktyps. Zwischenzeitlich lässt sich die Reihe auf neun Exemplare erhöhen. Darunter befindet sich ein zweiter Schrank, der mit dem Regensburger Stadtwappen und dem Reichsadler ausgezeichnet ehemals reichsstädtisch Regensburger Besitz war.

Schrank aus Regensburg
Intarsien: reichsstädtischer Adler und Regensburger Wappen sowie die weiblichen Personifikationen der Fides und der Spes.
Höhe 212 (80 Zoll); Breite 202 (77 Zoll); Tiefe 70 cm; der obligatorische Aufsatz fehlt.
Provenienz: Sammlung Lämmle, München
Lit.: 46. KUNSTMESSE München 2001, München 2001, FAbb. S. 98.

Aus der Verordnung des Regensburger Hansgerichtes vom 22. Juli 1720 geht hervor, dass die Meisterstücke in Form eines Schrankes und eines Tisches bestanden. Beabsichtigte jedoch ein Schreinergeselle eine Witwe oder Tochter eines Regensburger Schreinermeisters zu heiraten, genügte als Meisterstück der Schrank. Diese Verordnung galt bis 1806/09. Leider sind die Vorgaben der Schreinerzunft (Maße?) für den „Kasten“ als Meisterstück in der Verordnung nicht näher definiert.

Die Kenntnis der Säulenordnung musste das Meisterstück zeigen. Auch wenn der Schranktyp schließlich veraltert war, hielt die konservative protestantische Schreinerzunft wohl bis 1806/09 an der Herstellung des Schrankes als Meisterstück fest. So erklärt es sich, daß hochbarocke Fassadenschränke in Regensburg auch nach 1780 noch gefertigt worden sind.

Die Datierung der gleichförmig gegliederten Schränke ist nur an Hand der am Möbel verwendeten Ornamente möglich. Datierbar sind die Ornamente der geschnitzten Schrankaufsätze sowie der Schlüsselschilder und Schlösser. Die zeitliche Einordnung der Ornamentformen muß berücksichtigen, daß in der protestantischen Reichsstadt Regensburg eine beträchtliche Verzögerung gegenüber den moderneren Residenzstädten, zum Beispiel München, zu vermuten ist.

Schränke mit glatten Intarsienflächen, nachweisbar 1737-1745

Nach Regensburg/Stadtamhof läßt sich eine Familie von Prunkschränken lokalisieren, die bisher in sechs erhaltenen Exemplaren nachgewiesen werden kann.

Der modernere Schranktypus verzichtet auf Lisenen und negiert die Rahmen-Füllungskonstruktion. Die glatten und konkaven Flächen besitzen schräg furnierte Friese in Nussbaumholz. Die rechteckigen Intarsienfelder sind gerahmt von breitem Bandwerk meist in Zwetschge stets von Ahornadern flankiert. Das Zwetschgenbandwerk kann bei größeren Flächen mit Bandwerk aus hellerem Holz (Esche ?) verflochten sein. Dichtes Akanthus- und Blütenornament ist in Ahorn intarsiert und graviert. Beschläge und Schlösser sind angemessen mit reichen Gravuren in Messing ausgeführt. Oft bekrönen geschnitzte Aufsätze mit reinem Akanthusblattdekor die Repräsentationsschränke, die auffallend häufig datiert und mit Wappen versehen sind. So wurde 1737 ein Schrankpaar für die Regensburger Brauerfamilie Clostermeier gefertigt. Ein dritter Schrank aus derselben Regensburger Werkstätte trägt das Wappen der Regensburger Familie Dimpfel; ein vierter Kasten ist 1745 datiert.

Aussteuer-Schrank der Regensburger Bankierstochter Catharina Elisabeth Löschenkohl, vor 1744,
Kunsthandel München 1985. Höhe 203 cm; Breite 184 cm; Tiefe 65 cm.
Der 1985 im bayerischen Kunsthandel aufgetauchte Prunkschrank zeigt auf dem vorgekröpften Mittelstück des Kranzgesimses ein in Ahorn intarsiertes Spiegelmonogramm "CEL". Nach Durchsicht der Namen bekannter Regensburger Familien im 18. Jh. mit "L" als Anfangsbuchstaben und nach der Suche nach einem Familienmitglied mit den Vornamen "CE" glaube ich das Möbel als Schrank der Catharina Elisabeth Löschenkohl identifizieren zu können.
Die Bankierstochter hatte 1744 den Prediger und späteren Superintendenten Ulrich Wilhelm Grimm (1716-1778) geheiratet. Grimm entstammte einer bedeutenden Regensburger Ratsfamilie. Das Aussteuer(?)-Möbel muß vor 1744 entstanden sein. Da der Löschenkohlsohn bei Carl Neumann (Meister 1709) die Schreinerlehre absolvierte, wäre es naheliegend, daß der Aussteuerkasten der Löschenkohltochter aus der Werkstatt des Schreinermeisters Carl Neumann stammt. Die nicht gerade moderne Ornamentik ist für das konservative Regensburg zeittypisch. Die Rocaille taucht in Regensburg erst nach 1750 auf.
Im Intarsienstil vergleichbare Kommoden mit geschweiften Fronten konnten bisher in zwei Exemplaren entdeckt werden.

Möbel der Dalbergzeit (1802-1810)

Von Ende 1802 bis 1810 war Regensburg die Residenzstadt des Fürstprimas von Deutschland Carl von Dalberg (1744-1817). Der Kirchenfürst und Kurerzkanzler des Heiligen Römischen Reiches (bis 1806) war ein enger Gefolgsmann von Napoleon. Die Möbelkunst in Regensburg orientierte sich entsprechend an Pariser Vorbildern.
Ein bedeutendes Zeugnis dieser Epoche sind ein Empire-Sesselpaar, das in einem exquisiten authentischen Erhaltungszustand mit bewahrter Patina der Oberflächen überliefert ist. Die Kirschbaumsitzmöbel waren ursprünglich mahagonifarben poliert. Das Sesselpaar ist für Süddeutschland einzigartig und von größter kunstgeschichtlicher Bedeutung für das frühe Empire in Bayern.

Ein Satz von fünf schlichten Biedermeierstühlen aus dem Inventar der Dalbergschen Residenz vertreten das frühe aristokratische Biedermeier in Süddeutschland.

Vermutlich haben die schlichten klassizistischen Möbel erst in der Dalbergzeit in Regensburg Fuß fassen können. Der Streit zwischen dem Landesdirektorium, vertreten durch Sternberg, und den Prüfmeistern der Regensburger Schreinerzunft um drei Meisterstücke in Form von Zylinderbüros 1806 dokumentiert die konservative Einstellung der Schreinermeister. Technisch waren die Schreiner sicher gut ausgebildet. Der fürstprimatische Hofarchitekt Emanuel von Herigoyen lobt an den Meisterstücken die leichte Gängigkeit der Viertelzylinder und der Schubläden. Die Möbelentwürfe und deren Umsetzung bereitete offensichtlich Probleme. Das alte Meisterstück des Kleiderschrankes (s.o.) wurde schließlich 1809 endgültig abgeschafft.

Das Zylinderbüro mit Aufsatz als neues Regensburger Meisterstück seit 1806

Im Thurn und Taxis Museum befindet sich ein Kirschbaum auf Eiche und Weichholz furniertes Zylinderbüro mit Aufsatz, das nach den neuen Vorgaben zum Meisterstück von 1806/09 unter dem Landesdirektorium des Fürstentums Dalbergs gefertigt worden ist. Gotisierende „Säulen“-stellungen werden ausdrücklich verlangt. Diese sind hier an einem vierfach drehbaren Art Drehtabernakel verwirklicht. Das Möbel modifiziert den alten Typus des barocken „Tabernakelsekretärs“ durch Umsetzung der Formen in den Klassizismus mit Viertelzylinderbüro.

Klassizistische Kleiderschränke

Schränke mit den gotisierenden Säulenstellungen können nach Regensburg lokalisiert werden. Der aus Regensburger Privatbesitz stammende zweitürige Kleiderkasten mit geschrägten Ecklisenen zeigt in den beiden unteren Türenfüllungen spitzbogige Bogenstellungen auf Säulen mit verschränktem Spitzbogenfries.

Zweitüriger Kleiderkasten, Regensburg 1805/10
Ahorn massiv, Nussbaum, Kirschbaum auf Nadelholz furniert, Intarsien aus gesenkt schattiertem Ahorn, geschwärztem Birnbaum, Eibe, in den oberen Türfüllungen gemaltes Dekor in Form einer Raute mit einer Zopfvase, Originalbeschläge und Schloß mit aufwändigem Schließmechanismus, originale Beine.
Höhe 205 cm; Breite 165 cm; Tiefe 55 cm.
ehemals Kunsthandlung Baumann, Regensburg
Man darf wohl davon ausgehen, daß urspünglich die Ahornholzflächen auf Mahagoni-Art poliert waren.
Lit.: ELLER, Klassizismus (s.u.), Kat.Nr. 150

Ein vergleichbar proportionierter, furnierter Schrank zeigt in den beiden oberen Türfüllungen als gravierte Intarsie das berühmte Marmorbildwerk des Apoll von Belvedere in den Vatikanischen Museen.

Als Regensburg Schreinerarbeit der Dalbergzeit mit typischen gotisierenden Spitzbögen an den Seiten lässt sich auch eine Mahagonistutzuhr hier anführen.

Biedermeiermöbel vermutlich Regensburg oder Stadtamhof

Auf Grund der Provenienz kann man zu 75 % einen Kleiderschrank mit drei toskanischen Säulen nach Regensburger bzw. Stadtamhof lokalisieren.
Das städtisch gearbeitete Möbel ist in Fuß-, Kopf-, Seiten- und Rückwandteile zerlegbar. Es zeigt ein perfekt gespiegeltes, lebhaft strukturiertes Kirschbaumfurnierbild und besitzt ein solides, zweitouriges Kastenschloß mit vier Riegeln. Die Frieszonen sind mit Pappel- Maserholz betont.

Das Zungenbrett eines Biedermeierstuhles zeigt die rotfigurige Darstellung der Göttin Hebe. Vergleiche mit regensburger Biedermeierstühlen gesicherter Provenienz machen eine Lokalisierung nach Regensburg/Stadtamhof sehr wahrscheinlich. Die Konstruktion des Stuhles verrät Beziehungen nach Frankfurt am Main.

Südflügel-Neubau Schloß St. Emmeram 1883-1890

Durch den Südflügel-Neubau des fürstlich thurn- und taxischen Schlosses St. Emmeram in Regensburg erhielten die Regensburger Handwerker große und teilweise sehr anspruchsvolle Aufträge. Der Schlossbau war Vorbild für die Innenarchitektur Regensburger Villen, da die Handwerker beim Schlossneubau erarbeitete Formen für ihre bürgerlichen Kunden kopierten.

Beim Südflügel-Neubau führten die Schreinermeister Karl Wild und Johann Rosenmeier anspruchsvollere Wandvertäfelungen aus. Die Werkzeichnung oben zeigt eine cassoneförmige Sitzbank, die der fürstliche Architekt Max Schultze für den Schreiner Rosenmeier 1887 entworfen hat.
Der Bildhauer Josef Lindmeier schnitzte die aufwändigen Türblätter für die Rokokozimmer. Spezielle Arbeiten mit Intarsien konnten dem Regensburger Kunstschreiner Ernst Langlotz anvertraut werden. Ihm ist das Himmelbett des Fürsten im Renaissancestil zuzuschreiben.
Alle Aufträge für Bauschreinerei, Türen und Fenster, gingen an die Regensburger Schreinermeister Stefan Rummel, Carl Wild, Carl Vogtherr, Josef Wagner, Georg Frank, Josef Fuchs. Der Schreinermeister Johann Kreß fertigte in Fichte Kellertüren. Weitere einfachere Schreinerarbeiten besorgten Johann Brändl, Johann Georg Breitig, Ludwig Deschold, Johann Dirrigl, Chr. Hochwald, Hans Kaiser, Josef Lindmeier und Johann Striegel.

Dies ist nur die Spitze eines Eisberges, weitere Möbeltypen nach Regensburg zu lokalisieren, ist unsere Aufgabe. Für Informationen bin ich sehr dankbar.

Forschungsstand: 10.03.2012

Literatur:
Reinhold BAUMSTARK (Hg.), Thurn und Taxis Museum Regensburg. Höfische Kunst und Kultur, München 1998
Wolfgang L. ELLER, Möbel des Klassizismus, Louis XVI und Empire, München 2002.
Peter GERMAN-BAUER, Die Meisterstücke der Regensburger Schreiner, in: Kunst- und Gewerbeverein Regensburg (Hg.), 100 Jahre Schreinerinnung Regensburg Stadt und Land. Regensburg 1999, S. 24-29.
Heinrich KREISEL, Die Kunst des deutschen Möbels. Möbel und Vertäfelungen des deutschen Sprachraums von den Anfängen bis zum Jugendstil. Bd. 2: Spätbarock und Rokoko. München 1970
Klaus MAURICE, Die deutsche Räderuhr. Zur Kunst und Technik des mechanischen Zeitmessers im deutschen Sprachraum, 2 Bde, München 1976
Johann Carl PARICIUS, Allerneuste und bewährte Nachricht von der des Heil. Röm. Reichs Freyen Stadt Regensburg sammt allen Merkwürdigkeiten ... Regensburg 1753
Wolfgang PFEIFFER, Zu Regensburger Möbeln des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1986, S. 75- 86.
Wolfgang PFEIFFER, Barockmöbel aus Regensburg. Zu einer Neuerwerbung der Museen der Stadt Regensburg, in: RAL 1986, S. 160-164.
Rudolf PRESSLER, Stefan Döbner, Wolfgang L. Eller: Biedermeier-Möbel, München 2001
Hugo Graf von WALDERDORFF, Regensburg in seiner Vergangenheit und Gegenwart, 4., vollkommen umgearbeitete und vielfach vermehrte Aufl., 193 Illustrationen, Regensburg, New York und Cincinnati 1896

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