Dr. phil. Wolfgang Baumann
ANTIQUITÄTEN UND KUNSTHANDLUNG
gegr. 1909
Nussbaum massiv (Stollenkonstruktion) und Nussbaum sowie Nussbaummaser auf Nadelholz und
Eiche (konstruktiv wichtige Partien) furniert, Intarsien in Mooreiche flankiert von Ahornadern, reiche
ornamentale Intarsien in Ahorn und Birnbaum (?) mit feinsten Originalgravuren in Schwarz und Rot (!) gefärbt,
schöne Patina der Oberflächen, originale Schlösser, im Inneren alte Tapeten aus mindestens drei verschiedenen
Epochen, reiche Collagen im Tabernakel und Pultbereich, sowie Fassungen in Hellgrün, Altrosa und Weiß,
Beschläge bis auf vier originale gedrehte Messingknöpfe ergänzt, alte Inventarnummer in schwarzer
Farbe "W No. 19."
Auf einem Kommoden-Unterbau mit drei Schubläden liegt der Pultteil mit schräger Klappe. Der oben gebrochen geschweifte Aufsatz
weist 10 Schubläden auf, welche die zentrale Tabernakeltüre flankieren. Das dreiteilige Möbel besitzt insgesamt 21 Schubläden.
Der stilistisch vergleichbare Thurn-und Taxis-Sekretär ist abgebildet in MESSEKATALOG 11. Deutsche Kunst- und Antiquitäten-Messe
München 1966, München 1966, Abb. S. 128 (Firma Joseph Bierstorfer); WELTKUNST 26. Oktober 1966, Abb. S. 1056 und Heinrich
KREISEL, Die Kunst des deutschen Möbels, Bd. II, S. 308, Abb. 1036.
Der an der Front armbrustförmig geschweifte Unterbau mit karniesförmig geschweiften Seiten steht auf Nussbaumstollen. Der linke hintere
Stollen ist im unteren Viertel erneuert. Die massiven Nussholzteile sind an der Unter- und Innenseite mit dem Zahnhobel sauber geglättet.
Die drei geschweiften Schubläden besitzen die originalen eintourigen Kastenschlösser mit je zwei originalen handgefertigten
Rundkopf-Eisenschrauben und sind innen mit Marmorpapier der Entstehungszeit des Möbels, ausgekleidet. Fehlstellen wurden mit
annähernd passenden alten Papieren ergänzt.
Der Pultteil besitzt seitliche Wangen, für die als Blindholz Eichenholz verwendet worden ist. Im Pultinneren befinden sich vier kleine
Schubläden, deren Vorderstücke mit Nussbaum auf Eiche furniert sind. Sie besitzen noch die originalen gedrehten Zugknöpfe, die als
Vorbild für die mühevolle Rekonstruktion der verlorenen Beschläge dienten. Die Buntpapiere gehören hier wohl größtenteils der
Zeit um 1900 an.
Im oberen Fach des Tabernakels zeigt die Collage an der Rückwand zwei kreisrunde Kupferstich-Medaillons: Das linke Medaillon ist wohl
als Herkules, der mit einer Schlange kämpft, zu deuten. Das rechte Medaillon zeigt den schönen Knaben Ganymed, der von Zeus in
Gestalt eines Adlers auf den Olymp entführt wird. Die Bordürenstreifen links und rechts sind mit je zwei ovalen Kupferstichmedaillons
beklebt: Das Medaillon links oben führt das Standbild der Athene vor Augen; darunter ist die Göttin der Jagd Artemis (lat. Diana) abgebildet.
Rechts sind oben die Göttin Aphrodite (Venus) und darunter Hera (Juno), die Gemahlin des Zeus, zu erkennen.
Das untere niedrige Fach des Tabernakels zeigt mythologische Wesen von niedrigem Rang – der ordo humilis. Pan und Mänaden
bevölkern die Zone. In der Mitte ist eine klassizistisch gerahmte Ideallandschaft aufgeklebt. An der linken Seitenwand ist eine badende
Schöne zu erspähen, an der rechten Seitenwand ein Jüngling.
Im Pultteil ziert die Rückwand in der Mitte einen Kupferstich mit einer Landschaft, die von Rundmedaillons mit Darstellungen von
Hasen sowie einer Henne mit Kücken flankiert wird. Letzteres sind Anspielungen auf Kindersegen und die Liebe. Die Henne mit
Kücken wird als Symbol für „mütterliche Liebe, für Schutz und Geborgenheit und für friedliches Zusammenleben gedeutet. Die
Inschrift über der Gluckhenne auf der Rückseite einer 1645 datierten Liebesmedaille von Johann Blum (Bremen, 1631-1650)
lautet: „ein gluckhenn liebt ihr küchlin sehr, ich lieb mein liebste noch viel mehr.“
An den Seiten zeigen die Rundbilder je ein Vogelpaar. Der Boden im Pultbereich wurde nach Befund mit einem passend eingefärbten,
hellgrünen Buntpapier umgeben von einer hellgrauen Bordüre rekonstruiert. Die Schreibfläche der Klappe dokumentiert mit den
Gebrauchsspuren, Tintenflecken und Siegelwachsresten, die Benutzung des Möbels.
Beide identisch proportionierten Möbel gehören zu einer „Möbelfamilie; vielleicht kommen sie aus derselben Werkstatt. Sie unterscheiden
sich lediglich durch den Unterbau. Der Thurn und Taxis-Sekretär (Höhe 195 cm; Breite 140 cm; Tiefe 70 cm) besitzt einen Fußraum
flankiert von je drei Schubläden. Unser Sekretär besteht aus einem Kommoden-Unterteil mit drei Schubläden. Die weit überstehende Platte des Unterbaues, die Zargenornamente unten, die Profilierung, Schweifung und die durchbrochene zentrale Kartusche des Kranzgesimses sind beinahe identisch. Auch die Form und
Größe der Tabernakeltüre ist vergleichbar.
Den Sekretär hat Fürst Albert von Thurn und Taxis seinem Leibarzt Dr. Reinemer (siehe Biographie Margit - Teil II) geschenkt.