Dr. phil. Wolfgang Baumann M.A.


KUNSTHISTORISCHES AUS REGENSBURG


KRAMGASSE 8 (E 50) in der Wahlenwacht von Regensburg - ein spätgotisches Bürgerhaus von 1465 mit einem romanischen Tresorturm eines Kaufmannes

".. a bsondere Baustell - i sag allaweil - Cowboys darf ma do net ranlass´n"
(Regensburger Gästeführer 8. Juni 2007 vor dem Baugerüst am Haus Kramgasse 8) Seit dem 13. Juli 2006 gehört Kramgasse 8 zum Welterbe der UNESCO.
984 Denkmäler zählt das Ensemble Altstadt Regensburg mit Stadtamhof.

Nicht weil Regensburg eine römische Gründung ist - dies sind viele Städte in Europa - und auch nicht wegen seiner Kathedrale - Kathedralen gibt es in Frankreich sehr viele -, sondern in den erhaltenen Kaufmannshäuser des 12. bis 15. Jahrhunderts liegt Regensburgs Einzigartigkeit. Kramgasse 8 ist so ein Bau, der Regensburgs Ernennung zum Welterbe begründet.
"It is important to underline a fundamental principle of UNESCO, to the effect that the cultural heritage of each is the cultural heritage of all."
(The Nara Document on Authenticity, 8.)

CHARTA VON VENEDIG

Die KONSERVIERUNG und RESTAURIERUNG des Hauses wurde mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst gefördert.
Im Zentrum der Sanierung stand die Absicht, die Geschichte des Hauses durch die Bewahrung der authentischen Oberflächen erlebbar zu bewahren. Richtungsweisend für die Konservierung und Restaurierung ist die "Charta von Venedig über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles". "Das 1964 verabschiedete Dokument bildet die einzig verbindliche Grundlage für den Umgang mit historischer Bausubstanz auf internationaler Ebene und ist auch in der Einzelaussage noch aktuell." Sie können den verhätnismäßig kurzen Text im Internet schnell finden. Die Charta von Venedig ist sozusagen das Grundgesetz für den Umgang mit dem UNESCO-Welterbe Regensburg
Die vornehmste Aufgabe denkmalpflegerischen Handelns ist das Bewahren. Das Erhalten von Grundrissen und Baudekorationen steht deshalb an erster Stelle der Charta von Venedig:
"Art. 5. Die Erhaltung von Denkmälern wird immer durch Widmung einer der Gesellschaft nützlichen Form begünstigt. Eine derartige Widmung ist daher wünschenswert, aber sie kann nicht zur Veränderung der Disposition oder der Dekoration von Bauwerken führen."

Das Kaufmannshaus "under den chramen" des Ulrich Symon
KRAMGASSE 8 (Lit. E 50)
hinter der Chrazzerschen Kapelle St. Maria gelegen

Die Forschungen zum Haus Kramgasse 8 haben ergeben, dass im Jahre 1341 das Haus einem Herrn Ulrich Symon gehörte: In der Urkunde zur Teilung des östlich gelegenen Heuportkomplexes wird als Nachbar "hern Ulreichs des Symons haus" genannt. Damals gehörte auch der Heuportkomplex einem Familienzweig der Familie Symon. Die Symons waren in diesem Quartier wohl schon länger ansässig und dürften durch den Venedigerhandel und das Kreditgewerbe sehr wohlhabend gewesen sein.

Das Wappen des Ulrich Symon ist an einer Urkunde von 1330 überliefert (Urbanek): Er führte einen silbernen Dreiecksschild mit zwei goldenen, rot-bewehrten, an den Schildrändern klimmenden und nach hinten schauenden Papageien mit roten Halsbändern.

Die Papageien sind in dem gotischen Siegel – dem Typar – so fein von dem Goldschmied ausgearbeitet worden, dass man sie zoologisch bestimmen kann. Es handelt sich um den Halsbandsittich, lat. psittacus torquatus. Den sehr zahmen Vogel mit dem roten Halsband und dem langen keilförmigen Schwanz hatte bereits im 4. Jh. vor Christus Alexander der Große aus Indien nach Griechenland gebracht. Mit der berühmten Seide aus Indien kamen wohl auch im Mittelalter diese Papageien über Venedig nach Regensburg. Das Wappenbild zeigt somit den Venedighandel der Familie Symon an, die in zwei Familienzweigen im Regensburger Fernhandelsgeschäft tätig waren. Das älteste Familienmitglied der die Papageien im Wappen führenden Symons war der „apotecarius“ Hainrich, der im Februar 1310 als Geschäftsherr eine Urkunde gesiegelt hat. Apotheker handelten mit den berühmten Gewürzen des Orients und unter anderem auch mit wertvollen Farbpigmenten.

Die Bauforschung – unterstützt durch das verformungsgerechte Aufmaß, gezeichnet von Horst Wedel – am Haus Kramgasse 8 ergab, dass es sich bei dem Gebäude über schmalem, nur 8 m breitem Grundriss in romanischer Zeit um den Sitz eines Handelshauses gehandelt hat. Erst im Spätmittelalter war Kramgasse 8 ein Handwerkerhaus; für 1534 ist der Messerschmied Lukas Reuß überliefert. Der Kamin seiner Esse steht noch im Südosteck des Innenhofes.
Der geringe Platzbedarf des Grundstückes reichte einem Fernhandelskaufmann; Handwerkerfamilien dagegen benötigten meist größere Flächen. Der älteste Bauteil liegt von der Gasse zurückgesetzt an einem Innenhof und erhebt sich über einem Keller aus feinem Handquaderwerk 4 Geschosse in Bruchsteinmauerwerk – ca. 15 Meter – hoch. Im Turminneren wurde im 2. Obergeschoß an der Westmauer als erste Putzschicht ein Kalkputz entdeckt, der eine ungewöhnlich sorgfältig geglättete Oberfläche aufweist, die den Charakter von poliertem Marmor besitzt. Eine genaue Datierung dieses romanischen Steinkerns ist derzeit noch nicht möglich; er dürfte wohl bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Damals ergänzten wohl Holzbauten den Steinkern zur Gasse hin.

Steinkerne dienten der sicheren Verwahrung wertvoller Güter, insbesondere dem Schutz vor Bränden. Die bis zu 20 Meter hohen Tresortürme prägten, in Anbetracht der niedriger bebauten Umgebung, schon früh das Stadtbild in charakteristischer Weise. Später komplettierten sich die Häuser ganz aus Stein. „Under den chramen“, „inter utensilia“ wie es bereits im Jahre 1279 heißt, bezeichnet den Handel mit Gebrauchsgegenständen, der hier im folgenden aufkommt. Erst spätere Generationen verstanden unter diesen Begriffen Kleinhandel und Tand; 1613 taucht die Bezeichnung „ Tandelmarkt“ auf. Noch der Stadtplan von 1808 bezeichnet die heutige Tändlergasse als „ Kramwinkel“.

Später waren die Hausbesitzer Handwerker. Von etwa 1630 bis 1700 war das Haus im Besitz von Kürschnerfamilien. Daran soll die Büste der Pelz tragenden Dame am Gewände des Stichbogens der Schaufensteranlage erinnern. Die Skulptur wurde 1988 von dem ehemaligen Dombaumeister Richard Triebe geschaffen. Der neue Stichbogen ist nach einer Bauaufnahme des 19. Jahrhunderts rekonstruiert worden.

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jhs. befand sich hier ein Parfümerieladen, den die Familien Fries, Fleck und Petry bis in die 1980er Jahre betrieben. Im Erdgeschoss dokumentiert heute ein kleines Hausmuseum – Musée Petry – die Geschichte des Parfümerieladens Petry um 1900 und zeigt, welche Düfte die feine Regensburgerin der Jahrhundertwende angelegt hat.
Die Pläne zum Anschluss des Hauses an die Kanalisation vom November 1905 unterzeichnete Fanny Fleck, die Hausbesitzerin und die Inhaberin des Parfümerieladens. In ihrer Wohnung im 3. Obergeschoss ließ sie sich ein Badezimmer einrichten, wohl das erste in der Kramgasse. Die stattliche gusseiserne Badewanne mit antikisierenden Löwenprankenfüßen - wohl aus der Eisengießerei Bodenwöhr - ist noch erhalten und wurde restauriert.

Tabellarische Übersicht über die bis jetzt ermittelten Hausbesitzer von Kramgasse 8 (E 50)

1341 Ulrich Symon, wohl Fernhandelskaufmann, führt Siegel mit zwei Halsbandsittichen (Papageienart) – seit 1200 sind für Regensburg Familiennamen überliefert
1534 Lukas Reuß, Messerschmied, Besitzer des Hauses Kramgasse 8 kauft von der Witwe Anna Kelner und ihren Kindern das Haus Kramgasse 6 und die Hofstadt
1617 Barbara Vischer, Witwe des Hans Vischer verkauft das Haus an Hofmann, Kramer
1619 Martin Ganshorn und seine Frau Anna erwerben das Haus
1631 Alexander Metz, Kürschner und seine Frau Anna
1633 Witwe Anna Metz verkauft das Haus an Jakob Neumann, Kürschner und seine Frau Margarete
1644 Georg (Jörg) Schultz, Kürschner
1675 Die Vormünder der Tochter von Georg Schultz verkaufen das Haus an Wolff Schulz, Kürschner
1705 Anna Maria Schulz, Witwe. Die Witwe heiratete später den Handelsmann Leipold, siehe unten
1731 Johann Georg Leipold, Handelsmann und seine Frau Anna Maria Schulz verkaufen das Haus an Johann Nicolaus Becker, Eisenhändler, und seine Frau Maximiliana Eleonora

NEUE ERKENNTNIS wohl nach 1731 große Reparatur des Dachstuhles am Fußpunkt der Südseite unter dem neuen Hausbesitzer, dem Eisenhändler Becker; dendrochronologische Probe Nr. 6 ergab das Fälldatum 1728/29 (Schnieringer); barocke Fassadenfassung in Weiß mit roter Rahmenlinie um die Fensterfaschen (Rekonstruktion an der Hoffassade und Ostfassade zum Kaiserhof erfolgt)
1778 Johanna Christina Schwerdtner, verwitwete Eisenhändlerin erhält durch Erbe das Haus
1789 August Emanuel Dieterich, Bortenmacher, und seine Frau Margareta Clara Catharina, erwerben auf einer Auktion das Haus für 2600 fl.

Ab 1807 lassen sich die Hausbesitzer leicht durch die Adressbücher ermitteln.
1807 August Emanuel Dieterich, Assessor und Posamentier ist Hausbesitzer
1816 Esaias Andreas Dieterich, Glasermeister
1835 Charlotte Dieterich, Glasermeisterswitwe
1840 Johann Adam Münster, Glasermeister, auch zweiter Schützenmeister in Regensburg. Er verwendet Bretter von einer bemalten Zielanlage der Schützen im Haus Kramgasse 8 für den Einbau einer Riegelwand im 2. OG. Man schoss damals als Zielfigur auf einen Türken(?).

Das Ladengeschäft unter Fries / Fleck / Petry

1872 Johann Fries, Bürstenmacher, Bürstenbindermeister
Aus dieser Zeit ist eine alte große Ladenvitrine in Kirschbaumholz, später (1896) schwarz gefasst, erhalten, die mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Stichbogennische im Laden eingebaut war. Wohnung im 3. OG: Kachelofen um 1880; Wohnungsbeleuchtung mit Gaslicht ?
1896 Agnes Fries, Bürstenmacherswitwe
1900 Franziska (Fanny) Fleck, Buchh.-Witwe und Bürstenhandlung. Sie ließ 1905 wohl das erste Badezimmer in der Kramgasse mit einer gußeisernen Badewanne stehend auf Löwenpranken einrichten.

1951 Im 2. Obergeschoß wird ein durch Zeitungsunterlagen präzise auf Herbst 1951 datierbarer Stragula in Teppichimitation verlegt. Der Bodenbelag - ein Stück Kulturgeschichte der 50er Jahre - wurde als Geschenk im April 2007 vom Deutschen Historischen Museum in Berlin angenommen.
um 1975 Dachdecker fanden auf dem Dachboden einen spätgotischen Kruzifix aus der Zeit wohl um 1450/60, der nun im Haus wieder einen würdigen Platz gefunden hat.

Fassade und Dachstuhl von 1465
Der dendrochronologisch datierbare Dachstuhl wurde 1465 errichtet und auch das Erscheinungsbild der heutigen Fassade zur Kramgasse ab dem 2. Obergeschoss stammt aus dieser zweiten großen Bauphase des 15. Jahrhunderts. Die großen Fenster im 1. Obergeschoss sind eine Generation älter und in Zusammenhang mit dem Einbau einer komfortablen Bohlenstube 1434 gebaut worden (1. große Bauphase des 15. Jahrhunderts).

Das Erdgeschoss erhielt in den 1980er Jahren einen rekonstruierten Segmentbogen mit einer Büste von Richard Triebe. Der Regensburger Dombaumeister, Bildhauer und Grafiker ist am 11. Juli 2012 im Alter von 89 Jahren verstorben. Requiescat in pace. Die teilweise vergoldete Büste stellt eine Kürschnersgattin mit Pelzhaube dar. Im 17. Jahrhundert waren mehrere Generationen von Kürschnern Hausbesitzer (siehe oben).

Rekonstruktion der gotischen Fassung an der Fassade zur Kramgasse im August 2007 mit Sumpfkalk
Laut Befund war die erste Fassung auf den Steingewänden der Fensteröffnungen ein tiefes Schwarz. Die Mauerflächen waren in Weiß gekalkt. Unter Bewahrung der alten Putze wurde die spätgotische Erstfassung über einer Kalkschlämme aus Kalkkasein aufgetragen; mit holzgebranntem Altmannsteiner Sumpfkalk und mit Kaseinschwarz. Der Kirchenmaler Bernhard Baumer hat es gewagt hier in traditioneller, dem Welterbe angemessener Technik die Fassade zum Leuchten zu bringen. Übrigens wurden alle anderen Fassaden auch die im kleinen Hinterhof in dieser leider selten angewendeten Fassungstechnik ausgeführt.
Am 31. Oktober 2007 gibt Oberbürgermeister Hans Schaidinger in einem Brief an Dr. Eduard Baumann bekannt, daß der Fassade des Hauses Kramgasse 8 von der Wettbewerbsjury ein 2. Preis der Fassadensanierung zuerkannt worden ist. Am 9. November wurde im Salzstadel mit folgender Würdigung die Preisurkunde vom Oberbürgermeister überreicht:
"Das Gebäude stammt ursprünglich aus der Spätgotik. Die Sanierung geht auf einen dokumentierten Befund zurück. Das sanierte Objekt stellt eine sehr eigenständige Lösung dar. Besondere Aufmerksamkeit wurde hierbei insbesondere auf die Fensterarchitektur gelegt. Diese ist sehr gut gelungen. Von der Jury wurde zudem besonders honoriert, dass bei der farblichen Gestaltung des Gebäudes Zurückhaltung geübt wurde. Der Helldunkelkontrast von Fenstern zur Fassade stellt in diesem Straßenzug einen deutlichen Blickfang dar. Den 2. Preis für diese Sanierung erhält Dr. Eduard Baumann."
Die im 1. Obergeschoß am 22. November 2007 wieder eingehängten, teilweise originalen Winterfenster geben der Fassade eine zusätzliche Brillanz. Es wurde mundgeblasenes heimisches Tafelglas aus Waldsassen verwendet. Der spitze Blickwinkel in der engen Kramgasse läßt den Betrachter in den welligen Oberflächen der Glasscheiben die Macht des Feuers erleben - wie es der alte Glasermeister Johannes Buhl senior einmal so schön formuliert hat. Die Fensterbeschläge wurden nach Befund rekonstruiert und sind Regensburger Arbeiten von Stefan Simmel (s.u.).
Auch hier erfüllt die Restaurierung ein wichtiges Welterbekriterium: Im April 2006 verlangte nämlich ICOMOS von der Stadt Regensburg anlässlich der Bewerbung zum Welterbetitel eine Nachbesserung zum Welterbeantrag. Ein Fragenkatalog wurde den städtischen Denkmalpflegern zur Beantwortung im April 2006 vorgelegt. Darunter befand sich auch folgende Kritik: " ...ICOMOS weist auf die derzeit laufende Praxis hin, alte Fenster und Türen durch moderne und industriell gefertigte zu ersetzen, was den Charakter historischer Gebäude verändert." (zit. nach Peter LANG, Welterbe- und andere Sünden, in DER LESERBRIEF, Zeitschrift für Beteiligungskultur, Regensburg, Februar 2008, S. 18)

In der Mittelbayerischen Zeitung vom 24./25. August 1996 war in einem Artikel von Katrin Nikolaus über "Sommerleben auf den geheimen Hochsitzen der Stadt" zu lesen: "Regensburg ist zu 70 Prozent häßlich, wie jede andere Stadt auch", urteilt Künstler Alexander Rogl. Und selbst die Dachlandschaft kann ihn nicht mehr versöhnen, seit immer mehr Häuser in der Altstadt saniert wurden. "Alles unglaublich steril, kein Vergleich mit den Dächern in Rom". Einheitlich rot und unbefleckt strahlen die Dachziegel jetzt. Rogl vermißt nicht nur den morbiden Charme des Verfalls und der Improvisation, sondern auch die Fledermäuse, die mit der Sanierung aus dem alten Gebälk vertrieben wurden.
Das Foto zeigt das malerische Erscheinungsbild der südlichen Seite des Satteldaches von Kramgasse 8 nach der Restaurierung im Oktober 2007. Drei barocke Dachgauben (2 Stück der mittleren Reihe und 1 Stück links oben) konnten in situ bewahrt werden. Von den alten Biberschwanzdachziegeln wurden viele wieder verwendet, so daß keine einheitliche rote, neue Dachfläche entstanden ist, kein Legodach.
Der Dachstuhl ist bis jetzt noch nicht präzise dendrochronologisch datierbar. Die Abbundzeichen, eingestemmte Quadrate, nummerierten im Bereich der Traufe an der Kramgasse die Sparren von Westen nach Osten. Bis auf ein Abbundzeichen sind leider alle Marken durch die Balkenerneuerung und Ergänzung der Sparrenfußpunkte verloren gegangen.

Bauleitung:
Karoline von Montgelas, Dipl. Ing. (FH), Regensburg, Bauleitung bis zum 24. Juli 2007
Christoph A. Bruckner, Dipl. Ing. (FH), Holzgartenstr. 6a, Regensburg, Bauleitung ab 25. Juli 2007. Am 22. Juli 2010 ist Christoph Bruckner im Alter von 51 Jahren in Regensburg verstorben.
Requiescat in Pace !

Folgende Personen und Firmen haben zufriedenstellend gearbeitet:
Statiker Hofmann und Mann Ingenieurbüro für Tragwerksplanung, Brunnstr. 23, Regensburg
Meiler Puppich Leonhard, Diplomrestauratoren (FH) mit Mitarbeitern, Regensburg, Restaurierung der historischen Dielenbretterböden
Dr. phil. Rosa Micus M.A., Kunsthistorikerin

Elektro Altmann, Regensburg
Elektro Hummel, Amberg, Elektro-Aufputzleitungen
Blochberger und Weiß, Lichtberatung
Bernhard Baumer, Kirchenmalermeister, historische Putze und Fassungen, konservatorische Betreuung und Kontrolle der Einbauten für die moderne Haustechnik
Konrad Pollinger, Jachenhausen, Spenglerarbeiten I
Firma Senft Wiesent, Heizung und Sanitär
Zimmerei Schwaiger
Peter Schwarzmayr, Regensburg, historische Verglasungen
Stefan Simmel, Regensburg, Kunstschmiedearbeiten
Anton Zitzelsberger, Schreinermeister, neue Dielenbretterböden
Annemarie Bengler, Regensburg, Konservierung und Restaurierung von historischen Fensterverglasungen
Norbert Soetz, Laaber, Lehmbauarbeiten
Kurt Rosenmeier, Sulzbach/Donau, Ölen und Wachsen der Dielenbretterböden

Zur Innenarchitektur des Hauses
Der Geschäftsraum im Erdgeschoss besitzt Steinzeugfliesen aus der Zeit des Ladenumbaues von 1890. Der Boden wird - wie einst seit 1890 - ergänzt durch fußfreundliche geölte Holzdielen.
Die Balkendecke im Laden wurde unter einem aufgenagelten Plafond entdeckt und von Kalktünchen befreit. Die Unterzüge und die darauf liegenden Bohlen mit Deckleisten tragen auf ehemals weißem Grund mehrere Fassungen:
Die älteste, erste Fassung entstand wohl in der Spätgotik. Mennigrote und malachit(?)grüne Blätter an den Balken der Unterzüge und dem Streichbalken sowie am Wandstreifen dazwischen rahmten den Blick auf einen gemusterten Himmel: Die Bohlen zeigten aus dem zerriebenen Halbedelstein Azurit gemalte, blaue Sterne im Wechsel mit mennigroten Sternen. Nur bei genauem Hinsehen kann man die exakt gezackten Gestirne erkennen. Die originalen Deckleisten waren vor der Befestigung durch je drei Eisennägeln mit Malachitgrün und in Marmorstruktur mit Krapplackrot über Mennige gefaßt worden. Spuren von Blattgold ließen sich bei der Pigmentuntersuchung feststellen. Wo das Gold verwendet wurde - vielleicht um Sterne funkelnd aufblitzen zu lassen - konnte nicht mehr festgestellt werden.
Die zweite Fassung übermalte wohl im 17. Jahrhundert die Sterne mit fünfblättrigen Rosen und rot umrandeten, sternchenförmigen Blüten. Die Deckleisten wurden mit Grün und Rot überfaßt. In den umschlingenden Ranken will man eine dritte Fassung erkennen, da sie teilweise die Blüten überschneidet.
Bemalte Decken waren einst keine Seltenheit in Regensburg. Unsere moderne Vorliebe für rustikal wirkende Holzsichtigkeit stand der Erhaltung solcher Fassungen bisher meist ungünstig gegenüber: Verdächtiger Weise erscheinen viele "mittelalterliche" Balkendecken Regensburgs allzu gleichmäßig holzbraun.
Zur Originalausstattung gehört auch die Registrierkasse "National".
Der Treppenraum mit einer Holztreppe wird von schweren Holzbalken überspannt. Südlich schließt der romanische Tresorturm an, in dem seitlich ein tonnengewölbten Gang den Zugang zum Hinterhof ermöglicht. Dies ist eine Standardsituation im romanischen Hausbau in Regensburg.
Im Zusammenhang mit der Errichtung des gotischen Dachstuhles in Form eines zum Hof traufständigen Giebeldaches muss die Abwasserrrinne im Erdgeschoss eingebaut worden sein. Sie verhinderte, dass der Hinterhof bei starken Regengüssen mit Wasser überschwemmt werden konnte. Die aus massiven Hausteinblöcken gemeiselte Rinne hat ein Gefälle zur Kramgasse. Die Erhaltung einer solchen gotischen Abwasserrinne im Erdgeschoss eines Privathauses ist eine große Seltenheit.
Der Hinterhof mit der Fäkaliengrube zeigt westlich den zweigeschossigen weitgehend aus Holz gebauten Privetgang, der vom 1. und 2. Obergeschoss als Zugang zum privaten Örtchen bis 1905, dem Anschluß des Hauses an die städtische Kanalisation, funktionierte. Seine Bewahrung hat in Regensburg inzwischen Seltenheitswert.

Die gute Stube von 1434-
Erkenntnis: Bohlenstuben waren im Mittelalter nie dunkelbraun

Im Spätmittelalter waren im 1. Obergeschoss die Repräsentationsräume des Hauses, die gute Stube sowie die großzügige Diele mit der Küche. Ein romanischer Hausteinbogen führt von hier in den älteren romanischen Steinbau am südlichen Innenhof.
Die Bohlenstube zur nördlichen Kramgasse wird durch drei Fensteröffnungen mit profilierten Hausteingewänden - eines zeigt ein Steinmetzzeichen - für den aufmerksamen Fassadenbetrachter leicht ersichtlich als Hauptraum ausgezeichnet. Zwei große Rechteckfenster, die im Originalzustand je ein steinernes Fensterkreuz, einen sogenannten "Kreuzstock", besaßen, flankieren ein schmales Mittelfenster. Die ursprünglich beabsichtigte Wirkung dieser dünnen Fensterfront ist gut mit einem Vokabular aus der Kathedralgotik zu beschreiben, der "diaphanen Wand".

Die gotische Balkendecke ist der Rest einer ehemaligen gotischen Bohlenstube, die dendrochronologisch mit dem Fälldatum Winter 1433/34 datierbar ist. Bohlenstuben gehörten zur Grundausstattung eines mittelalterlichen Wohnhauses in Regensburg. Die in das Steingebäude meist im ersten Obergeschoss hineingestellten rundum Holzeinbauten waren über Hinterladerkachelöfen verhältnismäßig rauchfrei zu beheizen, so daß im Winter komfortables Wohnen möglich war. Die bisher älteste Bohlenstube von 1260 wurde 2011 im Haus Ortnergasse 3 entdeckt (BLIZZ 17. April 2011, S. 8).

1434 wurden die Holzoberflächen an der Decke und den Wänden mit stark verwässertem Knochenleim getränkt (Leimlösche) und zeigten eine seidig glänzende, natürlich holzhelle Oberfläche. Als diese durch Kerzenruß und durch den nie ganz zu vermeidenden Rauch des Kachelofens kohlschwarz geworden war, fasste man alle Holzoberflächen einfach hellockrig, um wieder ein helles Raumbild zu erreichen. Diese mit Knochen/Glutinleim gebundene Ockerfassung wurde mit einem Leinölfirnis überzogen (zwischen beiden Schichten gibt es keine Verschmutzung), der im Laufe der Zeit sich dunkelbraun verfärbt hat. Das heutige Erscheinungsbild der Bohlenstubendecke ist demnach ein Alterungsprozess; das rötliche Dunkelbraun war keine beabsichtigte Farbgebung.

Im 18. Jh. erfolgte eine Barockisierung der guten Stube. Ein Weiß-Plafond wurde unter die Bohlen-Balkendecke aufgenagelt. Dabei beilte man die durchhängenden Balken an, um eine annähernd plane Decke zu erhalten. Diese Beschädigungen werden nun aufwändig mit Holzergänzungen repariert. Mit dem Schrubhobel werden die neuen Oberflächen an die historischen angepasst. Beim Aufnageln der Schalung für das Anbringung des Plafondputzes im Barock verwendete man kurzerhand das Sitzbrett der gotischen Stubenbank und hat es somit unbeabsichtigt vor dem Verlust gerettet. Bei Entfernung des Putzes tauchte dieses Brett mit einer profinierten Kante (deutscher Stab) und einem schräg geschnittenen Ende wieder auf: Es passte genau in die Segmentbogennische der Ostwand, die somit im Mittelalter eine Sitznische war.

Von der "Guten Stube von 1434" gibt es 11 Postkarten bei Antiquitäten Baumann zu erwerben.

Eine Biedermeiertreppe von 1811 führt vom ersten in das zweite Obergeschoss. Sie wurde restauratorisch ergänzt und stabilisiert. Im 2. Obergeschoss befindet sich im zentralen Treppenraum eine spätgotische Bohlenbalkendecke. In der Stube an der Kramgasse ist eine Lehmschlagdecke aus derselben Zeit erhalten. Die Fassungsschichten an dieser Decke wurden gewissenhaft recherchiert, so daß nach Befund die spätgotische Erstfassung in Champagnerweiss und Ebenholzschwarz mit einer feinen Begleitlinie rekonstuiert werden konnte. Diese strenge Fassung begradigt in holzschnittartiger Schärfe die Materialgrenzen zwischen handbehauenen Holzbalken und modellierten Lehmschlagflächen. Die entscheidenden Befundfenster bleiben als Beweisstellen sichtbar.
Die Südräume zeigen sich mit authentisch rekonstruierten Dekorationsmalereien vom Ende des 19. Jahrhunderts. Ein Raum ist in Hellgrau mit kräftigen Blaulinierungen gestaltet.

3. Obergeschoss: Blauer Salon mit originaler Dekorationsmalerei, Art deco in Regensburg, mit funktionstüchtigem grünem Jugendstilofen und barocker Stuckdecke nach 1731, Zweiter Raum an der Kramgasse, Barockfenster mit spätgotischer Fensterbank, Historismusplafond mit reicher Historismus-Dekorationsmalerei, Diele mit altdeutschem Kachelofen als Wohnküche konzipiert, anschließend Rauchkuchel des 18. Jh., Südostraum mit vier Fenstern nach Osten und Süden, Jugendstilbadezimmer mit authentischer Gusseisen-Badewanne von 1905 und historischer Dekorationsmalerei, gemalten Fliesen in Gelb und Hellblau im Badewannenbereich. Alle Räume im 3. Obergeschoss besitzen historische Fenster und Winterfenster sowie die aufwändig restaurierten originalen Dielenbretterböden vom 16. -19. Jahrhundert.

Die Innenräume sind mit Sumpfkalk gekalkt. Die historischen Türen werden bewahrt, ebenso die authentischen Dielenbretterböden. Besonders stolz sind wir auf den Wiedereinbau eines Großteiles von historischen Fenstern mit schönen Beschlägen und von Winterfenstern, die auf dem Dachboden des Hauses überlebt hatten. Die an Unerbitterlichkeit grenzende Konsequenz, mit der die elektrischen Aufputzleitungen erhalten und zusätzliche verlegt worden sind, dürfte in Regensburg einmalig sein (Elektro Hummel). Dasselbe gilt für die sanitären und heizungstechnischen Hinzufügungen unserer Zeit. Sie verlaufen über den historischen Putzen mit den zahlreichen Raumfassungen der Vergangenheit.
Informationen bei Dr. Wolfgang Baumann, 0941-53322

Wolfgang Baumann Stand: 19. April 2011

Literatur:
Karl-Heinz BETZ und Richard STROBEL, Baualtersplan zur Stadtsanierung Regensburg III, Lit. E Wahlenwacht, München 1980, S. 41f., Abb. 54 (Nordfassade 1979)
BORGMEYER, Regensburg (²1997), XCII.
Barbara FISCHER-KOHNERT, Das mittelalterliche Dach als Quelle zur Bau- und Kunstgeschichte, Dominikanerkirche, Minoritenkirche, Dom, Rathaus und Alte Kapelle in Regensburg, Petersberg 1999
HOERNES, Hauskapellen (2000), 143 Anm. 24.
Petra LOREY-NIMSCH, Kramgasse 8, Gotisches Kleinhaus, in: Denkmalpflege in Regensburg, Beiträge zur Denkmalpflege in Regensburg mit Jahresbericht, hg. von der Denkmalschutz-behörde der Stadt Regensburg, Regensburg 1989, S. 58f. mit Abb.
Richard STROBEL, Das Bürgerhaus in Regensburg, Mittelalter (= Das deutsche Bürgerhaus Bd. XXIII, hg. von Günther Binding), Tübingen 1976, S. 69, Abb. 43
Richard STROBEL, Mittelalterliche Bauplastik am Bürgerhaus in Regensburg (= Das deutsche Bürgerhaus Bd. XXX, hg. von Günther Binding, Tübingen 1981, S. 30.
Eugen TRAPP, Welterbe Regensburg, Ein kunst- und kulturgeschichtlicher Führer zur Altstadt Regensburg mit Stadtamhof, Regensburg 2008, S. 91f.
URBANEK, Wappen und Siegel (2003), 265/66.

„Wir wollen unsere Ehre darin suchen, die Schätze der Vergangenheit möglichst unverkürzt der Zukunft zu überliefern, nicht ihnen den Stempel irgendeiner heutigen, dem Irrtum unterworfenen Deutung aufzudrücken.“ (Georg Dehio 1901)

Zur Bohlenstube gibt es Postkarten bei Antiquitäten Baumann, Kramgasse 6 zu kaufen.

EINLADUNG NACH REGENSBURG zu den "Schatztruhen von Geheimnissen"

Regensburg hat nach dem Zweiten Weltkrieg eine besondere Qualität bekommen. Sie ist die einzige erhaltene mittelalterliche Großstadt Deutschlands. Ein Besuch dieser Stadt mit seinen authentischen Denkmälern religiöser Kunst und profaner Wohnkultur - von den Patriziertürmen bis zur gotischen Kathedrale - ist ein einmaliges Erlebnis für jeden Kunstfreund. Liebevoll hat die bekannte Schriftstellerin und Regensburgerin Sandra Paretti - Dr. Irmgard Schneeberger (1935-1994) - im "Nixenkahn der Donau" die Patriziertürme beschrieben als die "Hausriesen, deren Mauern Schatztruhen von Geheimnissen bergen". Diese Geheimnisse darf das Haus Kramgasse 8 auch in Zukunft bewahren. Einige kleine Geheimisse dürfen die Hausbewohner entdecken.

Auf Ihrem Weg vom Dom zum Alten Rathaus, in dem der Immerwährende Reichstag tagte, kommen Sie auch durch die Kramgasse.

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